„Gute Nacht 06“ 2014 gehäckelter Stacheldraht 120 x 110 x 65
„Gute Nacht 02“ 2014 gehäckelter Stacheldraht 220 x 120 x 140

Es sind essentielle und gesellschaftliche Fragen, die das Werk von Felix Höfner durchziehen. Immer wieder interessieren den Berliner Konzept-Künstler existentielle und essentielle Fragen und Auseinandersetzungen mit relevanten Zeitthemen - Konven- tionen der Massengesellschaft etwa oder die jüngsten natio- nalistischen und ausländerfeindlichen Tendenzen in Europa. Höfners Plasiken„Gute Nacht“ (2014) ist eine Reaktion auf ein beherrschendes gegenwärtiges Thema – der sogenannten Flüchtlingskrise. „Gute Nacht“ ist ein doppelsinnig gemeinter Titel. Zum einen verbindet man damit den Wunsch nach einem erholsamen und störungsfreien Schlaf, zum anderen hat sich im Volksmund ein spöttischer Wortwitz ausgeprägt. „Gute Nacht“ steht nämlich auch für einen Ausspruch mit dem der Bürger resignierend unhaltbare Zustände oder kolossale Fehler, bei- spielsweise der Politik, kommentiert. 

Medial oder persönlich Erlebtes, Aggressionen, Verletzungen, die Erfahrungen von Grenzsituationen, die Traumata der Ver- folgung und Flucht mögen dem Betrachter angesichts dieser Plastiken von Felix Höfner durch den Kopf gehen – Erinne- rungen und Vorstellungen, in die sich vielleicht Erwartungen, Sehnsüchte und Hoffnungen auf Veränderung mischen. Die Zusammengehörigkeit des Widersprüchlichen, die Realität des Dissonanten, ist ein grundlegendes Konzept in der Kunst von Felix Höfner. Wie seine Plasiken„Gute Nacht“ hinterfragen vie- le Werke von Felix Höfner Strukturen und Zustände, die Politik und Gesellschaft dem Einzelnen aufoktroyieren. Die Installation „Gute Nacht“ evoziert eine kulturpessimistische Betrachtung sozialer und kulturelle Ausgrenzung. Nicht zuletzt ist sie Aus- druck eines zwiespältigen Lebensgefühls. 

André Lindhorst, ehem. Direktor der Kunsthalle Osnabrück

 

 

Die Installation „Gute Nacht“ besteht aus einem etwa zwei Meter breiten Metallschirm, der sich langsam und gleichmäßig um einen an der Decke des Installationsraumes angebrachten Metallstab dreht. Zur technischen Ausstattung gehört weiter ein Motor sowie eine LED-Lampe mittels der Schattenbilder panoramaartig auf die Seitenwände des Installationsraumes projiziert werden. An der von der Decke herabhängenden Schirmkonstruktion sind in Abständen zueinander aus Stacheldraht konstruierte (vom Künstler gehäkelte) Skulpturen befestigt, die sowohl an Menschenkörper als auch an tierische Figurationen, Schafe beispielsweise, erinnern. Der Betrachter tritt in den abgedunkelten Installationsraum ein, ausgestattet mit einer 3D-Brille.

Die an dem Metallschirm angebrachten Figurationen aus Stacheldraht verändern im Licht der Projektion ihre Erscheinungsqualität. Während sich die Schirmkonstruktion gleich einem Karussell an der Decke dreht, projiziert das Licht amorphe Formen an die Wände. Diese Formen erinnern sowohl an phantastische Wesen als auch an Wolkengebilde. Höfner entzieht seinen an der Schirmkonstruktion angebrachten Skulpturen die ihr eigene Materialität und Körperlichkeit. Die Skulpturen aus Stacheldraht verlieren in diesem Prozess ihre Härte und Sperrigkeit. Ihre Konturen beginnen sich in einer Metamorphose aufzulösen und sich mit ihrem räumlichen Umfeld zu verweben. Es ist dieses Verschmelzen, diese Veränderung von Zuständen - vom Harten und Aggressiven ins Zarte und Weiche die der Installation ihre Spannung und ihren Reiz verleiht. Zwei völlig konträre Zustände greifen ineinander und verschmelzen miteinander. Schatten kommunizieren mit dem Raum und gleiten die Wände entlang, kreisend in fortwährender Widerholung- nicht greifbar, sich auflösend, spurenhaft und dennoch von eindringlicher Intensität.

Felix Höfner schafft aus der Verbindung von Gegensätzlichem eine ebenso illusionistische wie poetische Situation. In „Gute Nacht“ spielen dabei Symbole eine Rolle. Symbole, die in unserem kollektiven Gedächtnis fest verankert sind. Wolken als Symbole für Leichtigkeit, Flüchtigkeit, Ungebundenheit und  für Entgrenzung. Demgegenüber Stacheldraht – Stacheldraht ist in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den USA entwickelt worden, um Rinder am Abweiden bestimmter Gebiete zu hindern. Militärisch wurde Stacheldraht erstmals von Engländern 1899 angewandt. Stacheldrahtverhaue waren schwer zu überwindende Hindernissen in den Grabenkriegen des ersten Weltkrieges. „Stacheldraht als Barriere gegen Personen wurde unter anderen an der EU-Außengrenze, in Gefängnissen und Konzentrationslagern, an der Berliner Mauer und der innerdeutschen Grenze eingesetzt. Stacheldraht gilt als Symbol für Unterdrückung und Unfreiheit und findet daher auch Verwendung im Logo von Amnesty International oder Open Doors“ (Wikipedia).
 

André Lindhorst